Theater Kleve
Presse zu GLAUBE LIEBE HOFFNUNG (Spielzeit 2023/24)
Rheinische Post vom 08.08.2023

Ohne Glaube, Liebe, Hoffnung kein Leben?

Mit dem gesellschaftskritischen Stück des 1938 verstorbenen Dichters Ödön von Horváth begeisterten die Schauspieler.

VON ANTJE THIMM

KLEVE | „Glaube Liebe Hoffnung, ein kleiner Totentanz in fünf Bildern“ des österreichisch-ungarischen Autors Ödön von Horváth hatte das Schauspielensemble des XOX-Theaters unter der Leitung von Wolfgang Paterok und Brigitte van Gemmeren (Regieassistenz) erarbeitet und am vergangenen Wochenende vor fast ausverkauftem Haus zu einer gelungenen Premiere gebracht. Das routinierte Spiel der Truppe, die feine Akzentuierung in den Dialogen, die Reduktion auf das Wesentliche ließen an diesem ersten Aufführungsabend den Geist des früh verstorbenen Dichters und Gesellschaftskritikers Horváth (1901-1938) lebendig werden.

„Jetzt habe ich eigentlich nichts. Es soll ja noch schlechter werden. Aber ich lasse den Kopf nicht hängen.“ Das sagt eine junge Frau, Elisabeth, die arbeitslos wurde und wegen eines Verstoßes gegen einen „kleinen Paragraphen“ auch noch mit dem Gesetz in Konflikt kam. Ihr Schicksal in einer von Obrigkeitshörigkeit, Vorurteilen und Lieblosigkeit geprägten Gesellschaft ist die Geschichte des Stückes. Modern mutet die Struktur in fünf Bildern an, die auch manchmal einige Wochen überspringen, Unwichtiges weglassen und nur die zentralen Momente im Leben von Elisabeth zeigen. Da ist ihr Anliegen, dem Anatomischen Institut („dort wo man halt die Leichen zersägt“) ihre Leiche bereits zu Lebzeiten zu verkaufen, um Startkapital für ein eigenständiges Leben zu bekommen.

Katja Plumbaum verkörpert Elisabeth und ihr Selbstbewusstsein, ihren Stolz und ihre Hoffnung mit eindringlichem Spiel. Allein ihr erster Auftritt zeigt mit Körpersprache, Mimik und Betonung, dass hier eine Frau bereit ist, zu kämpfen – gegen ihre Not, gegen ihre Unfreiheit. Im Anatomischen Institut gibt es einen Präparator (Johannes Himmes), einen Vizepräparator (Ernst Hanßen) und einen Oberpräparator (Rainer Cloosters). Das Gerangel der drei um Zuständigkeiten und Macht zeigt absurd deutlich, wie sinnlos Obrigkeitshörigkeit sein kann – damals wie heute.

Der Präparator ist Elisabeth zunächst wohlgesonnen, leiht ihr sogar aus eigener Tasche das benötigte Geld, schwenkt aber um, als er sich betrogen fühlt durch eine Verkettung von Missverständnissen. Johannes Himmes spiegelt in seiner Darstellung des Präparators die ganze Unsicherheit der Figur wider: wie er sich Tauben fütternd zurückzieht, aber auch ehrliches Interesse an Elisabeths Schicksal zeigt, wie er kapituliert vor der Hierarchie.

In dem „schneidigen Schupo“ Alfons, gespielt von Marcel Schubert, findet Elisabeth einen Geliebten, der zunächst zu ihr steht. Im Zusammenspiel der beiden erscheint wie durch ein Brennglas, wie falsch es laufen kann, wenn der Mann glaubt, die Frau müsse sich unterordnen, wenn Karriere wichtiger scheint als Vertrauen zu dem geliebten Menschen. Als Alfons Elisabeth kennenlernt, sagt er noch den Satz „Ohne Glaube Liebe Hoffnung gibt es logischerweise kein Leben“. Später, in einer zentralen Szene des Dramas, sagt er:  „In einem geordneten Staatswesen“ ließe es sich nicht umgehen, dass „Unschuldige dran glauben“. Und Elisabeth: „Das seh ich schon ein, (…) weil halt Menschen Menschen sind.“ Dennoch kämpft sie tapfer um Gerechtigkeit, scheitert aber an  kleinen Dingen,  Missverständnissen und „kleinen Paragraphen“ in den Köpfen.

Horváths Gesellschaftskritik ist zeitlos, Wolfgang Paterok und sein engagiertes Ensemble hat sie wieder hörbar und erlebbar gemacht. Das Publikum im XOX-Theater war begeistert, es gab Applaus nach jedem der fünf Bilder. Elf Schauspieler verkörperten 17 Rollen mit Intensität und Gespür für die richtigen Momente. Eine ausgeklügelte Beleuchtung durch Axel Huth unterstrich treffend die Kernaussagen. Großer Schlussapplaus.

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