Theater Kleve
Presse zu Anna und der König (Spielzeit 2002/03)
RP vom 4. Sptember 2002

„Die naive Anna und ein müder König“
von Ute Baumann

Mit dem gleichnamigen, amerikanischen Spielfilm „Anna und der König“, der vor zwei Jahren durch die Kinos ging, hatte das Theaterstück, das am Wochenende gleich an zwei Abenden auf der Bühne vor der Unterstadtkirche die Zuschauer begeisterte, wenig gemein. Bis auf die Tatsache, dass hier wie dort eine aufrechte Frau es wagt, einem König Paroli zu bieten. Hier, in der Produktion des XOX-Theaters, war das die Prinzessin Anna von Cleve, die aus Gründen der Staatsraison an Heinrich VIII. verheiratet wurde, ihm nicht gefiel und doch nicht, wie einige seiner sechs Frauen, auf dem Schafott endete. Vielleicht inspirierte der heitere Ausgang der Geschichte – die „königliche Schwester“ lebte nach der Scheidung bis zu ihrem Tode mit königlicher Apanage in Chelsea – den Franzosen Jean Canolle zu seiner sehr vergnüglichen Komödie. Schon in den ersten Szenen kündigt sich die Katastrophe der Hochzeitsnacht an: den König sprechen die starken Körperformen der Dame nicht an. So scheint Heinrich schließlich schon zu Beginn der Hochzeitsnacht beinahe einzuschlafen und Anna droht mit Krieg in ganz Europa. Das macht den müden König munter. Den Rest der Hochzeitsnacht verbringt der Tyrann ganz brav beim deutschen Kartenspiel „Schniork“, dessen Namen er kaum über die Zunge bringt. Viel Witz des Stückes – speziell die Hochzeitsnacht reiht eine Pointe an die andere – resultiert gerade aus den sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten der Protagonisten. Jeder versteht den anderen nicht und die Dolmetscher lügen aus diplomatischen Gründen. Die Hochzeitsbettszene gipfelt in einem herrlichen Arrangement: Zwischen den beiden Hoheiten im Nachthemd sitzt auf der Ritze sehr förmlich der Botschafter und Übersetzer in Pelz und Strümpfen und ist gezwungen, mit der dupierten Königin an seiner Seite zu diskutieren. In der Figur dieses Herrn Wriotestley übersteigerte Titus Hoffmann gekonnt das Klischee von englischer Zurückhaltung. Herrlich abstrus war der Monolog der Anna – gespielt von Natascha Cham – an seiner Seite. Die spielte die Anna von Cleve als naive Plappertasche ebenso überzeugend wie später die selbstbewusste, lebenslustige Frau. Veit Lowack als kleiner, dicker Heinrich VIII. mit typischem Federhut war einfach nicht zu überbieten. Wie geschaffen war der Hof vor der Unterstadtkirche als Kulisse für dieses mit üppigen Kostümen des sechzehnten Jahrhunderts ausgestattete Stück. Die kamen dann auf einer sparsamen und erfinderisch variierten Bühne um so besser zur Geltung. Und so brachte das XOX-Theater viel Flair in die Stadt, in der Anna von Cleve sich dazumal „lebendig begraben“ fühlte.