Theater Kleve
Presse zu Hedda Gabler (Spielzeit 2017/18)
RP vom 3. Oktober 2017

Gelungene Premiere im XOX-Theater
von Antje Thimm

Kleve. Unter der Regie von Wolfgang Paterok war Ibsens „Hedda Gabler“ zu sehen. Das dreistündige Stück war dank der Darstellung der Schauspieler kurzweilig und hochspannend. Mitreißende Renate Hendricks.
Das Schicksal von Hedda Gabler, einer der bemerkenswerten Frauengestalten des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen, war in einer Inszenierung durch Wolfgang Paterok, Leiter des Klever XOX-Theaters, zu sehen. Die gut besuchte Premiere im Obergeschoss der alten Fabrik nahm die Zuschauer mit auf eine Reise ins 19. Jahrhundert: das Bühnenbild war ein eleganter Salon in geschmackvollem Rot, die Personen trugen die Kleidung ihrer Zeit, die dramatische Geschichte aber, die sie erzählten, war zeitlos.
Hedda Tesman, geborene Gabler, jungvermählt mit dem Kulturhistoriker Jörgen Tesman, hat sich auf eine Versorgungsehe eingelassen. Sein Mitbewerber um die erhoffte Professorenstelle ist Heddas Ex-Liebhaber Eilert Lövborg, der ein Werk über die Kulturgeschichte geschrieben hat, um das Jörgen ihn beneidet. Eilert hat die Trennung von Hedda nie verwunden, seine Alkoholkrankheit aber mithilfe von Thea Elvsted, einer Schulfreundin von Hedda, in den Griff bekommen. Zwischen den beiden entwickelte sich durch die gemeinsame Arbeit an seinem Buch Liebe und Kameradschaft. Hedda beginnt ein gefährliches Spiel.
Sie verleitet Eilert dazu, wieder zu trinken. Eilert verliert im betrunkenen Zustand sein kostbares Manuskript und stirbt durch einen Schießunfall. Jörgen Tesman findet Eilerts Werk, Hedda aber, in blinder Eifersucht auf die Beziehung zwischen Thea und Eilert, verbrennt es. Assessor Brack, juristischer Berater des Hauses Tesman, versucht Hedda zu erpressen, weil er erkannt hat, dass die Waffe, die Eilert tötete, aus Heddas Besitz stammt. Auch er ist ein ehemaliger Verehrer Heddas und fordert für sein Schweigen eine intime Beziehung zu ihr. Um dieser Abhängigkeit zu entgehen, tötet Hedda sich selbst.
Henrik Ibsen, dessen Dramen zu den meistgespielten Stücken der Weltliteratur gehören, schrieb das Schauspiel in vier Akten am Ende des 19. Jahrhunderts an der Schwelle zur Moderne. Die dargestellte Gefühlswelt der Personen und die Verdeutlichung ihrer inneren Antriebe macht das Stück hochspannend. Renate Hendricks verkörpert die schillernde Hauptfigur mit all ihren Launen und dem tödlichen Spiel, das sie treibt, mitreißend. Perfekt beherrscht sie den lauernden Seitenblick. Ihr Leid an der Langeweile ihres Daseins ist deutlich spürbar. Als sie Eilert zum Abschied umarmt, zeigt die sonst so kalt berechnende Figur starke Gefühle, die den Zuschauer bewegen. Manfred Küper als Tesman trifft den naiven Sammler und tölpelhaften Ehemann genau.
Alle Darsteller zeichneten die sehr unterschiedlichen Charaktere des Stückes überzeugend, was an den Reaktionen im Zuschauerraum erkennbar war. Emotional nuanciert auch die Verkörperung der Thea durch Katja Gerritzen. Die Geliebte von Eilert verbirgt ihre Gefühle nicht. Auch sie wird zum Opfer von Heddas Intrigenspiel. York Dehnen begeisterte als hinterlistiger Assessor Brack, Heike Singendonk verkörperte glaubwürdig Berte, das Dienstmädchen. Klaus Gerritzen gestaltete treffend die Figur des genialen, aber labilen und unglücklichen Eilert. Mirjam Kirschberger zeigte als Tante Julle alle Facetten einer lästigen aber liebevollen Schwiegermutter. Eins zu eins mit dem Originaltext dauerte das Stück drei Stunden. Dennoch war es kurzweilig. Es gab viel Applaus und Bravo-Rufe für die Darsteller und den Regisseur. Eine gelungene Premiere.

RP vom 26. September 2017

Kleve. Regisseur und Theater-Chef Wolfgang Paterok holt Ibsens großes Drama aus dem 19. Jahrhundert auf die Klever Bühne oben in der alten Fabrik. Letzte Proben vor der Premiere am kommenden Samstag, 30. September. Von Matthias Grass

Es ist ihr letztes Spiel, ein tödliches Spiel. Ein Spiel zwischen bürgerlicher Sicherheit und der für sie quälenden Langeweile in diesem Leben, ein Spiel mit dem einstigen Liebhaber. Ein Spiel, das Hedda gewinnt und zugleich verliert: Ibsens Drama Hedda Gabler hat eine dunkle Seele „voller phantastischer Schatten und schwarzer Seen, stiller Spiegel, in denen man sich selbst erkennt, gigantisch vergrößert und unheimlich schön verwandelt“, wie Hugo von Hofmannsthal nach der Uraufführung 1891 schwärmte. Hedda Gabler ist großes Theater, erst jüngst in moderner Form mit Susanne Wolf, Godehard Giese und Katharina Marie Schubert wuchtig modern in Szene gesetzt. Jetzt wagt sich Wolfgang Paterok vom Klever XOX-Theater an dieses klassische Stück Theater, schickt seine Schauspieler auf die Reise ins 19. Jahrhundert zu einem aktuellen Stoff. Bis zum bitteren Ende. „Ein faszinierendes Stück, das wir unbedingt machen wollten“, sagt Paterok.

„Ich möchte ein einziges Mal in meinem Leben die Herrschaft haben über ein Menschenschicksal“ – das ist Heddas Kernsatz. Sie wird ihren Wunsch von der Herrschaft über Leben und Tod umsetzen können und zugleich daran scheitern. Denn wie in Goethes Wahlverwandtschaften sortieren sich die Beziehungen neu in dem Stück.

Renate Hendricks ist Hedda: In schwarzer Spitze gekleidet spinnt sie das Spiel von Liebe und Tod, gesellschaftlicher Verpflichtung und der Flucht aus diesem Leben. Zurückgekehrt mit ihrem langweiligen Mann, dem Kunsthistoriker Jorgen Tesman, kommt sie in ihr neues Haus in Kristiania. Tesman steht vor einer erwartungsvollen Karriere. Da tauchen Ejlert Lovborg (Klaus Gerritzen), der einstige Liebhaber Heddas, der sich als Alkoholiker aufs Land zurückziehen musste, und Thea Elvstedt (Katja Gerritzen) auf, die ihren viel älteren Mann für Ejlert verlassen hat. Ejlert, wie Tesman Kulturwissenschaftler, ist inzwischen trocken und hat eine Veröffentlichung vorbereitet, die Tesmans Karriere zerstören könnte. Hedda spielt Schicksal, trickst Thea aus und schickt Ejlert in den Abgrund. Letztlich gibt sie ihm ihre Pistole, damit er sein Dilemma „sauber zu Ende bringen“ kann. Pateroks hält sich an Ibsens Text, das Bühnenbild überzeugt ebenso, wie die Ausstattung der Figuren. Hendricks punktet schon in den Proben, in denen der Regisseur mit seinen Schauspielern bis zur Premiere am kommenden Samstag, 30. September, 20 Uhr noch an der Inszenierung feilen wird. Da darf Tesman nicht freudig seine Tante begrüßen – lässt ein Todesfall doch Vorausahnungen zu. Man merkt der Truppe an, dass Hedda eine Herausforderung ist, der sie sich stellen, gerne stellen. Man spürt, dass sie die tiefe Bühne füllen werden, dass Hendricks in feinen Nuancen und mit kaltem Blick die Szene und vor allen die Menschen beherrscht. Wie Hedda es letztlich wollte.

Hedda Gabler im XOX-Theater, Briener Straße 6: Premiere: Samstag, 30. September, 20 Uhr. Weitere Aufführungen: Freitag, 6. Oktober, 20 Uhr, Samstag, 21. Oktober, 20 Uhr, Freitag u. Samstag, 10./11. November jeweils 20 Uhr.

NRZ vom 22. September 2017

Hedda will leben
von Andreas Daams

KLEVE
Der General schaut sich das Drama aus nächster Nähe an. Die ganzen zweieinhalb Stunden lang sieht er zu, wie seine Tochter im Unheil versinkt. Er schaut, ohne mit der Wimper zu zucken. Tot ist er, aber sein Bildnis hängt über dem Kamin und formuliert stumme Erwartungen.

„Hedda Gabler“ heißt das viel gespielte Stück von Henrik Ibsen, ein Klassiker des psychologischen 19. Jahrhunderts. Im XOX-Theater hebt Wolfgang Paterok diese Zeit nun auch visuell auf die Bühne. Keine Abstraktionen, sondern Polstersessel und Baststühle, umzäunt von dichten roten Stoffbahnen. Seine Schwester hat sich dieses fulminante Bühnenbild ausgedacht. Für drei Tage ist sie aus München nach Kleve gekommen und hat daran gearbeitet. „Es ist das erste Mal, dass ich keinen Einfluss auf das Bühnenbild hatte“, sagt Paterok. Völlig freie Hand hat er ihr gelassen. Der Raum wächst nun in die Tiefe, so wie man immer mehr in die Tiefe des handelnden Personals hineinschaut.
Die Hedda ist eine Frau mit Bedürfnissen. Sie möchte in der Gesellschaft brillieren und erotische Befriedigung finden. Aber dafür hat sie den falschen Mann geheiratet. Jörgen Tesman ist ein Gelehrter, dessen Leidenschaften sich auf die Kulturwissenschaften beschränken. Doch ein einziges Mal möchte Hedda die Herrschaft haben über ein Menschenschicksal. Da kommt ihr ihr ehemaliger Geliebter Lovborg ganz recht. Ihn wird sie zerstören, und sich gleich mit. Die Pistole des Generals, die früh im Stück auftaucht, zeigt dem Zuschauer, wo alles hinführt.
„Ein zeitloses Stück“, schwärmt Wolfgang Paterok, der nun erstmals ein so bejahrtes, gleichwohl junggebliebenes Drama in seinem Theater inszeniert. Kein Wort hat er gestrichen, denn: „Wenn etwas zu streichen ist, spiele ich es erst gar nicht.“ Hochinteressant, spannend, wunderbar in seinen Bezügen – Paterok ist hingerissen, so wie seine Schauspieler. Und wie vermutlich das Publikum, wenn es sich auf Hedda Gabler einlässt. Auf der Bühne werden York Dehnen, Katja Gerritzen, Klaus Gerritzen, Renate Hendricks (als Hedda), Mirjam Kirschberger, Manfred Küper und Heike Singendonk zu sehen sein.
Für sie ist der Ibsen-Klassiker eine echte Herausforderung. Viel Text, viel innere Dramatik, inneres Erleben. Seit November 2016 proben sie das Stück, York Dehnen fährt für die Proben sogar eigens aus Köln nach Kleve. Den Einsatz spürt man aber auch beim Besuch einer Probe: abends, nach einem normalen Arbeitstag, fühlen sich die Akteure mit voller Konzentration in ihre Figuren ein. Bewundernswert schon das. Auf die Aufführungen darf man gespannt sein.
Premiere ist am Samstag, 30. September, um 20 Uhr. Weitere Aufführungen sind am Freitag, 6. Oktober, Samstag, 21. Oktober sowie am 10. und 11. November, auch jeweils um 20 Uhr.