Theater Kleve
Presse zu Yasmina Reza: Kunst (Spielzeit 1997/98)
NRZ vom 9. Juni 1997

von Astrid Hoyer-Holderberg

Das XOX-Theater ist geboren. Es verspricht eine lebhafte Zukunft mit anspruchsvollen Stücken und gibt Hoffnung auf ein ernstzunehmendes Gegengewicht zu den Tourneevorstellungen in der Stadthalle. Mit herzlichem, langen Applaus dankten 99 Premierengäste Samstagabend für einen gelungenen Start. Kleve hat nach 20 Jahren wieder ein eigenes kleines, freies Theater. Mit sicherem Gefühl für gute Texte wählte der Klever Gründer und Regisseur Wolfgang Paterok die Erfolgskomödie „Kunst“ der 40jährigen Autorin Yasmina Reza zum Auftakt aus. Eine feinsinnige Auseinandersetzung um Kunst und Kultur, auch um die Kunst der Freundschaft, um Streitkultur -„die bittere Würze der Wörter“- und Zeitgeist. Drei Kreis-Klever Amateure werden nun semi-professionelle Schauspieler. Gutes Talent bewies Michael Freiss (Diplom-Psychologe im normalen Leben). Er mimt Serge, der für eine Riesensumme ein weißes Bild mit feinen weißen Linien kaufte. „Weiße Scheiße“ ist es für Marc alias (Krankenpfleger) York Dehnen. … Hineingezogen in den immer persönlicheren Disput wird Freund Yvan, überzeugend verkörpert von Manfred Küper (der wissenschaftliche Assistent ist eine echte Entdeckung fürs Theater)… Das schauspielernde Trio nahm sich Raum auf der großen Bühne. In ansprechend karger Möblierung, mit zurückhaltenden Lichteffekten stand es den Zuschauern

11. Juni 1997 vom 11. Juni 1997

von Matthias Grass

„Kunst“ heißt das Stück von Yasmina Reza: Doch die Kunst, ein 1,2 mal 1,6 Meter großes, monochromweißes Bild, im Stück sinn- wie abfällig als weiße Scheiße abqualifiziert, steht so eigentlich gar nicht im Mittelpunkt. Auch wenn sich alles um diese „Weiße Scheiße“, um dieses „Flimmern und Vibrieren“, um die „ganze Farbpalette in der weißen Monochromie“ dreht. Serge, ein gutverdienender Dermatologe aus der Pariser Schickeria stellt voller Stolz und nicht ohne Arroganz seinem Freund Marc, einem Ingenieur, das Bild vor. Doch als Serge ihm den Preis nennt -200.000 französische Franc- flippt Marc aus, fällt laut lachend und ohne Rücksicht über seinen Freund her, wie man soviel Geld für eben diese „weiße Scheiße“ ausgeben kann. Serge ist erwartungsgemäß empört. „Kunst“ von Yasmina Reza ist ein Stück über eine Männerfreundschaft, vielleicht über Freundschaft schlechthin -und trotzdem wird die französische Autorin mit ihrem Text nie schwermütig, bleibt leicht, locker, fast oberflächlich aber immer treffend. Ein Text, der Boulevard-Theater sein könnte, ein Stück, das mit seinen möglichen Slapstick-Einlagen zur Commedia dell’arte werden kann, ein Stück aber auch, bei dem sich die Regie auf den Text und auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die psychologisierenden Elemente konzentrieren kann. Wolfgang Paterok wählte eben diesen Weg. Nur drei Zweiersofas und ein kleiner Couchtisch bevölkerten die in ihrer Kargheit überzeugende Bühne: Hier stand das Wort im Vordergrund. Und damit hatte sich Paterok nicht gerade die einfachste Arbeit gesucht – denn gerade ein guter Text will auch gut gespielt werden. York Dehnen als Marc, Michael Freiss als Serge und Manfred Küper als Yvan leisteten als Laienschauspieler Beachtliches. Köstlich Yvans Familienszenario seiner hysterischen Frauen (Braut, Stiefmutter, Schwiegermutter), nur scheinbar in sich ruhend Marc, ständig irgendwelche Pillchen schluckend, und schließlich der betont distinguierte, alle greifbaren, leeren Kunstphrasen dreschende Serge, ganz betont Bildungsbürger… Kunst bleibt unter Pateroks Regie ein ausgesprochen kurzweiliges Stück mit lustvoll aufspielenden Protagonisten… Ein Stück, das in Kleve ebenso die lauten Lacher provozierte, wie es nachdenkliche, fast traurige Seiten auslotet und in seinem wortreichen Dreikampf niemals ermüdet.