Theater Kleve
Presse zu Nico (Spielzeit 2005/06)
NRZ vom 7. November 2005

„Kind – Frau – Skelett“
Zur Premiere von „Nico – Sphinx aus Eis“ verpassten viele einen nachdenklichen Abend
von Klaus Hübner

Sie liebte Jim Morrison, ihren Sohn Ari aber bekam sie von Alain Delon. Sie stand mit vielen Personen des Rock’nRoll der sechziger Jahre in naher Bekanntschaft, Freundschaft, Liebe. Sie behauptete einige Jahre ihre Position als Muse von Andy Warhol, Lou Reed, John Cale. Alle nannten sie Nico, doch geboren wurde sie 1938 als Christa Päffgen in Köln.
Es war sicher Zufall, dass diese Premiere in die Zeit fällt, in der in Frankfurt eine große Ausstellung über die psychedelische Kunst der sechziger Jahre läuft. Denn im „Summer Of Love“ (Schirn Kunsthalle) spielte Nico eine schillernde Rolle, die später im Drogenirrsinn zu enden drohte.
Am Anfang der szenischen Lesung aus dem Monolog „Nico – Sphinx aus Eis“ von Werner Fritsch im XOX-Theater meldete sich das Ende. Denn mit dem Finale begann eine ziemlich düstere, trostlose, schaurige Performance, in der nichts weiter passierte, als dass der Text vorgelesen wurde und Nicos Musik aus der Konserve kam. Unheilvoll illustrierte der eingespielte, von Nico gesungene Song „The End“ von den Doors das in schwarz gekleidete, sporadisch von einem rot leuchtenden Scheinwerfer erhellte Bühnenbild. Hier wurde ein Leben offenbar, das mit drei Wörtern beschrieben ist: „Kind – Frau – Skelett“.
Fritsch schildert in dem von Claudia Knops gelesenen Text das Leben einer schönen Frau, das meistens kurz vor dem Abgrund stand. Unterschwellig begleitete das Jenseits eine junge Künstlerin, die, von einer tiefen Zerrissenheit und einer das Selbst zerstörenden Drogensucht gekennzeichnet, auf ihren Lebensstationen in Lübbenau im Spreewald, New York, Paris und Ibiza viel Glanz und Gloria, aber auch viel Schmutz und Elend erlebte. Gleichsam als Fortschreibung der unvollendeten Autobiographie der Sängerin, die außerdem als Model arbeitete und für Federico Fellini vor der Kamera stand, verfasste der Autor ihre Sehnsuchtsgedanken nach Liebe, Anerkennung und Glück.
Andy Warhol nannte sie Mondgöttin, dabei war sie mehr eine Heroin-Ikone als eine überirdische Sphinx. Zurückhaltend kombiniert Fritsch seinen Nico-Text mit Elementen der griechischen Mythologie, wo der Hades mit offenen Armen auf sein Rock’nRoll-Persephone wartet. Nicos Kindheit während des Nationalsozialismus‘ und des Zweiten Weltkrieges schildert der Autor wie eine düstere Vorahnung auf spätere Jahre im psychedelischen Sumpf des New Yorker Undergrounds. „Meine Pupillen sind Supernovas“, sagt Nico. Darin spiegelten sich unreale Wirklichkeit und von Halluzinogenen geprägte Gedanken.
Als Jim (Morrison), der vor ihr starb, eines Tages ruft, hält sie nichts zurück. Sie geht im Jahr 1988.
Dem einfühlsam von Claudia Knops vorgetragenen Text hätte man zur Premiere mehr Zuhörer gewünscht.

RP vom 9. November 2005

Ein verzweifelter Schrei nach Liebe
von Annette Lobbenmeier

Nico – Sphinx aus Eis heißt das neue Stück im Klever XOX-Theater, das jetzt unter der Regie von Wolfgang Paterok Premiere feierte. Claudia Knops meisterte den langen Monolog des sprachgewaltigen Textes, der wie eine Lesung mehr vorgetragen als gespielt wurde, hervorragend

Sie hatte ein Verhältnis mit Jim Morrison, der Vater ihres Sohnes soll Alain Delon gewesen sein, Andy Warhol diente sie als Muse: Christa Päffgen, besser bekannt unter ihrem Pseudonym Nico. Zahlreiche Erinnerungsfetzen aus Nicos Leben reihten sich jetzt im Klever XOX-Theater assoziativ aneinander: Erinnerungen an den Nationalsozialismus, ihr Lebensweg als Künstlerin, die Geburt ihres Sohnes, ihre Liebesaffairen, unter anderen jene mit Jim Morrison. Schließlich der eigene Abstieg ins Drogenmilieu: Der laute Schrei nach Liebe verhallt in der Dunkelheit der Drogenszene.
Das XOX-Theater stellte mit der Lesung „Nico – Spinx aus Eis“ von Werner Fritsch eine neue Premiere vor. Es handelt sich dabei eigentlich um eine Lesung eines Monologs unter der Regie von Wolfgang Paterok. Claudia Knops als Sprecherin vermochte den schwierigen, sprachlich brillianten Text in seiner ganzen Intensität umzusetzen. Aus der Sicht von Christa Päffgen, die als Sängerin der legendären Rockgruppe „Velvet Underground“ unter dem Namen Nico bekannt ist, hat Autor Werner Fritsch ein einem langen Monolog die Höhen und Tiefen der blonden Schönheit nachgezeichnet: Sie kam 1938 oder 1943 in Köln oder Budapest zur Welt, die historischen Quellen widersprechen sich hier. Mit 16 Jahren wurde sie als Fotomodell entdeckt, sie verließ frühzeitig die Schule und arbeitete als Mannequin, hatte sogar einen Auftritt in Fellinis Film „La dolce vita“.
In Paris lernte sie den Filmemacher Nico Papatakis kennen, von dem sie ihren Spitznamen übernahm. In New York besuchte sie die Schauspielschule und traf dort zahlreiche Musiker. 1962 wurde ihr Sohn Aaron, genannt Ari, geboren, dessen Vater, nach ihren eigenen Angaben, angeblich Alain Delon war. Durch Bob Dylan lernte Nico Andy Warhol kennen, der sie auch mit der Rockgruppe „Velvet Underground“ zusammenbrachte, deren Sängerin sie wurde. Später startete sie eine Solo-Karriere, während die Mitglieder von „Velvet Underground“ in Drogenabhängigkeit versanken.
Die Suche nach dem Glück in der Realität scheitert in der Verworrenheit einer künstlichen Traumwelt. Der dichte Text weist Parallelen zur griechischen Mythologie auf, zieht Vergleiche zur Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Das Spiel mit kraftvoller Sprache hat Claudia Knops hervorragend gemeistert. Unterlegt wurde die Lesung mit Songs von „The Doors“ und „Velver Underground“. Die Musikeinlagen und die gleichzeitige Abdunklung des Raumes unterstrichen die Dramatik vom glanzvollen Aufstieg einer Künstlerin über den verzweifelten Kampf für die Liebe bis zu Nicos Tod. Nico starb 1988 nach einem Unfall auf Ibiza.