Theater Kleve
Presse zu WILLKOMMEN (Spielzeit 2020/21)
RP vom 13.10.2020

Flüchtlinge ja, aber nicht auf dem Eggchair
Im XOX-Theater war die Komödie „Willkommen“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz zu sehen. Thema: Flüchtlinge, Vorurteile und Toleranz

Von Antje Thimm

KLEVE Humor und die Kunst der Übertreibung sind Stilmittel, mit denen man auch schwere Themen vermitteln kann. Das bewies das Ensemble des Klever XOX-Theaters mit der Premiere von „Willkommen“. Die Autoren Lutz Hübner und Sarah Nemitz behandeln darin die Facetten der Flüchtlingsproblematik im Brennglas einer Wohngemeinschaft. „Viel Vergnügen“ wünschte Theaterchef Wolfgang Paterok zur Begrüßung des Publikums im Obergeschoss des Industriegebäudes an der Briener Straße, überzeugt von der humorvollen Wirkung der überzeichneten Charaktere und ihren wortgewandten Auseinandersetzungen. Er selbst führte Regie, Brigitte van Gemmeren übernahm die Regieassistenz.
Mitbewohner Benny konfrontiert die WG mit der Idee, während seiner einjährigen Gastdozentur in den USA sein Zimmer Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Gerd Walther interpretiert den Anglistikdozenten Benny bewußt schulmeisterlich, zeichnet den „Guten“, der den „gesamtgesellschaftlichen Nutzen“ seiner Idee heraustellt. Nur den Eggchair in seinem Zimmer, den möchte er sichern, damit da keine „Flecken draufkommen“, und die Plattensammlung, die soll auch in den Keller, wenn Geflüchtete in seinem Zimmer wohnen. Wie erwartet sind nicht alle Mitbewohner begeistert von Bennys Vorschlag, Banker Jonas, verkörpert von Stanislav Grebennikov, fürchtet „Lärm“. Seine schlagfertigen Sprüche bringen das Publikum immer wieder zum Lachen. Eigentlich hat er keine Lust, das gemütliche WG-Lebenaus Feiern, Tischtennisspielen und Lässigkeit neu anzupassen.
Durch ein Wechselbad der Gefühle mit vielen bewußten Überzeichnungen führt Nina Jonas als Sophie, die Hauptmieterin und freie Fotografin. Emotional berührt ist sie von Bennys Vortrag über die Flüchtlinge, dreht sich aber auch vollständig und zeigt eindrücklich, wie persönliche Beziehungsgeflechte sie beherrschen. „Keine arabischen Männer in meiner Wohnung“ könnte die Überschrift lauten über den großartigen Monolog von Anke Kühl als Doro. Dann kommt Studentin Anna mit der Nachricht, dass sie schwanger ist. Katja Plumbaum schlüpft überzeugend in die Rolle der jungen Frau, die mit der Schwangerschaft und allen damit verbundenen Konsequenzen völlig überfordert ist. Dann ist da Haroon Aklaghi, der Afghane, der einen Türken spielt, nämlich Achmed, den Vater von Annas Kind. Seine lockere und ehrliche Art („na klar, ich bin auch ein Rassist“, „ihr findet es wohl groovy, Flüchtlingen zu helfen“) hält allen den Spiegel vor und bringt viel Schwung in die Wohngemeinschaft der unterschwelligen Abhängigkeiten und verdeckten Schwächen.
Befreiend sind die Lach-Momente, die allein durch das Spiel der Akteure und ihr Gefühl für den richtigen Moment hervorgebracht wurden. Der Regisseur hat es gewußt: es war ein Vergnügen.